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„Oft hilft es schon, einfach nur mit jemandem zu sprechen“

Das Projekt [U25] Online-Suizidprävention ist ein Beratungsangebot für suizidgefährdete Kinder und Jugendliche.

Jährlich nehmen sich in Deutschland rund 10.000 Menschen das Leben. Im Jahr 2014 waren 546 der Suizidopfer dabei unter 25 Jahren. Um dieser traurigen Bilanz zu begegnen, wurde das Projekt [U25] Online- Suizidprävention als niederschwelliges Online-Beratungs- und Betreuungsangebot ins Leben gerufen. Das Besondere: Betreut werden die hilfesuchenden Jugendlichen von Gleichaltrigen, den sogenannten „Peers“, die sich durch eine intensive mehrmonatige Ausbildung für diese Aufgabe qualifiziert haben. In Dortmund ist [U25] an die Erziehungsberatungsstelle des SkF Dortmund e.V. angebunden und wird von der „Aktion Mensch“ und Eigenmitteln des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn finanziert. Anna Petri sprach mit Projekt-Koordinatorin Laura-Maria Lintzen und Peer-Beraterin Theresa (23) über ihre Erfahrungen in den ersten Monaten nach Projektstart im April 2016.

Was ist das Besondere am Projekt [U25]?

Laura-Maria Lintzen: [U25] ist ein Betreuungsangebot für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die sich in suizidalen Krisen befinden. Bei uns haben die Hilfesuchenden die Möglichkeit von Gleichaltrigen, den Peers, beraten zu werden. Diese sind aufgrund ihres Alters nah an der Lebenswelt der Jugendlichen und haben einen anderen Blick auf deren Sorgen und Ängste, als dies vielleicht bei älteren Beratern der Fall wäre. Auf unserer Internetseite legt man sich einen Account an und kann uns dann eine sogenannte Helpmail schicken, in der man berichtet, was einen bewegt und wie wir unterstützen können. Diese Mails landen dann erst einmal bei mir, ich schaue sie mir an und leite sie dann an unsere Peers weiter, die dann die Betreuung übernehmen.  Durch den Mail-Kontakt ermöglicht [U25] Dortmund es den Hilfesuchenden gänzlich anonym zu bleiben.

Theresa, du bist seit April als Peer-Beraterin beim Projekt [U25] tätig. Wie genau läuft die Beratung ab?

Theresa: Jeder Peer betreut maximal 4 Ratsuchende. In der Regel erfolgt die Beantwortung der Mails in einem Zeitraum von sieben Tagen, darüber werden die Jugendlichen auch bei Erstkontakt und auf unserer Internetseite informiert. In akuten Fällen, melden wir uns natürlich auch schneller.

Laura-Maria Lintzen: Nachdem die Jugendlichen sich bei uns registriert haben, erhalten Sie eine Mail, in der wir sie nochmal genau über die Modalitäten unsere Beratung informieren und in der wir ihnen auch zu ihrem Mut gratulieren, sich bei uns gemeldet zu haben. Denn sich bei uns zu melden und mit einem von uns offen über die eigenen Sorgen und Ängste zu sprechen, dazu gehört in meinen Augen eine Menge Mut. Ein wichtiger erster Schritt ist damit schon getan.

Die Idee von [U25] ist ja, dass die ratsuchenden Jugendlichen von Gleichaltrigen beraten werden, weil diese durch eine sehr ähnliche, altersbedingte Lebenswelt viel näher an den Jugendlichen sind.

Theresa: Genau so ist es und die ersten zwei Monate, die ich als Peer für [U25] tätig bin, haben dies auch bestätigt. Wir informieren die Jugendlichen zu Beginn der Beratung darüber, wie alt wir sind und spüren dann auch ganz deutlich, dass die Jugendlichen viel offener über das sprechen, was sie bewegt. Man wird eher als Freund und Ansprechpartner gesehen, denn als Berater. Die Erfahrung der ersten Monate hat auch gezeigt, dass durch die altersbedingte Nähe von Ratsuchenden und Peers eine ganz besondere Atmosphäre geschaffen werden kann, die für die weitere Beratung von großem Wert ist.

Laura-Maria Lintzen: Bei vielen Jugendlichen ist die Hemmschwelle sehr groß, sich wirklich an eine psychotherapeutische Beratungsstelle zu wenden. Wenn sie durch unsere niederschwellige Online-Beratung die Erfahrung machen, wie gut es tut, mit anderen über seine Probleme zu sprechen, trauen sich einige dann auch eher zu, sich im späteren Verlauf auch therapeutischen Rat einzuholen.

Theresa, was hat dich persönlich dazu bewegt, als Peer in der Beratung bei [U25] tätig zu sein?

Theresa: Ich finde es einfach sehr wichtig, dass man jemanden hat, mit dem man über seine Probleme sprechen kann. Viele der Jugendlichen haben niemanden oder zumindest niemanden, dem sie sich in der Form anvertrauen würden. Mit bedeutet es einfach sehr viel, dass ich für die Jugendlichen so jemand sein kann und ihnen helfen kann, mit ihren Sorgen und Ängsten besser umzugehen.

Nun ist ja die Konfrontation mit den Suizidgedanken Gleichaltriger sicher nicht immer leicht. Wie geht ihr als Peers damit um?

Theresa: Der regelmäßige Austausch mit den anderen Peers ist unglaublich wichtig. Wir treffen uns alle zwei Wochen zu einer Supervisionssitzung, in der wir über alles sprechen können. Der Umgang mit den Suizidgedanken der Jugendlichen ist definitiv kein leichtes Thema und belastet einen manchmal auch selbst. Aber zu wissen, dass hinter einem ein Team von anderen Peers steht, die einen auffangen, hilft bei dem Umgang mit dem Thema sehr.

Das Projekt läuft jetzt seit gut zwei Monaten. Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung ein?

Laura-Maria Lintzen: Wir freuen uns besonders über die vielen positiven Reaktionen der Ratsuchenden, die wir bereits bekommen haben. Es ist einfach sehr schön, Rückmeldungen zu bekommen, in denen sich die Jugendlichen für gute Ratschläge und die große Mühe, die sich die Peers geben, bedanken und uns mitteilen, dass wir sie wirklich unterstützen konnten. Für viele ist es schon eine große Befreiung, dass sie einfach einmal offen über ihre Probleme sprechen konnten.

Theresa: Wir haben zum Beispiel eine Mail von einem Jungen bekommen, der tatsächlich versucht hatte, sich das Leben zu nehmen und überlebt hat. Er war danach so dankbar und sieht das Leben jetzt mit ganz anderen Augen. Solche Momente bewegen uns natürlich sehr und motivieren uns auch immer wieder neu.

Ganz herzlichen Dank für das offene Gespräch!

 

Information:

Aktuell werden rund 40 Ratsuchende von [U25] Betreut, die von elf Peers sowie der Hauptamtlichen Mitarbeiterin Frau Lintzen betreut werden. Die Nachfrage ist groß. Ab September dieses Jahres ist daher eine neue Ausbildung mit weiteren Peers angedacht, für die sich Interessierte zwischen 16 und 25 Jahren anmelden können. Weitere Informationen zum Projekt gibt es auf der Homepage von [U25] unter: www.u25-dortmund.de

Wer sich für eine ehrenamtliche Mitarbeit bei [U25] interessiert, kann sich auch direkt bei Projekt-Koordinatorin Laura-Maria Lintzen melden: L.Lintzenskf-dortmund.de